Ein großer Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage standardsprachliche Texte zu lesen und zu verstehen. Leichte Sprache kann diese Lücke schließen und Personen mit Leseschwierigkeiten einen alternativen Text anbieten. Für viele Menschen ist das die einzige Möglichkeit, schriftliche Informationen aufnehmen zu können.
Fragt man nach der Zielgruppe für Leichte Sprache, denken die meisten Menschen nur an Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Das ist jedoch weit gefehlt, denn weitere Personengruppen profitieren ebenfalls von leicht lesbaren Texten.
Zum Beispiel:
Personen mit Lernschwierigkeiten
Personen mit Aphasie
Personen mit Hörschädigung
Personen mit Demenz
Texte in Leichter Sprache helfen aber auch einem großen Personenkreis, der keine gesundheitliche Beeinträchtigung hat (vgl. Brendel/Maaß 2016).
Dazu gehören:
Personen mit geringer Literalität (funktionale Analphabeten)
Personen mit geringen Deutschkenntnissen
Inzwischen wurde das Potential der Leichten Sprache erkannt. Daher stellen immer mehr Unternehmen und Institutionen ihre Informationen zusätzlich in Leichter Sprache zur Verfügung. Ob Wahlprogramm oder Gesetzestext, wichtige Nachrichten oder Gesundheitsinformationen – Texte in Leichter Sprache erreichen viele Menschen.
Der Deutsche Gehörlosen-Bund schätzt die Gruppe der gehörlosen Personen in der Bundesrepublik Deutschland auf über 80.000 und der Bundesverband Aphasie spricht von mehr als 100.000 Menschen, die von Aphasie betroffen sind. Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen gibt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit 1,6 Millionen an, Tendenz steigend. Während die Anzahl der Demenzerkrankten vorwiegend die Altersgruppe ab 65 Jahren und älter betrifft, wird die Gruppe der gering literalisierten Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren mit 6,2 Millionen beziffert.
Die zweite Level-One Studie der Universität Hamburg (LEO 2018) erfasste die Lese- und Schreibkompetenz der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung. Die Studie beschreibt differenziert die unteren Kompetenzstufen und verzichtet dabei auf den stigmatisierenden Begriff ‚funktionaler Analphabetismus‘. Stattdessen wird der Bereich der geringen Literalität in den Alpha-Levels 1 bis 3 zusammengefasst.
Geringe Literalität bedeutet, dass eine Person bestenfalls einfache Sätze lesen und schreiben kann. Den Ergebnissen der Studie zufolge sind davon 12,1 Prozent oder 6,2 Millionen der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung betroffen. Von den ermittelten Personen hatten 75 Prozent einen Schulabschluss, für mehr als die Hälfte war Deutsch die Muttersprache und 62 Prozent waren zur Zeit der Untersuchung erwerbstätig.
Was kann Leichte Sprache leisten?
Leichte Sprache erfüllt eine Brückenfunktion und ist ein zusätzliches Angebot für einen nicht geringen Personenkreis. Menschen mit Leseschwierigkeiten können sich besser informieren und selbstständiger Entscheidungen treffen, wenn sie Textinhalte eigenständig aufnehmen können. Anträge oder Behördeninformationen stellen Menschen mit Leseschwierigkeiten vor enorme Herausforderungen. Sie nehmen leicht verständliche Erklärungen dankbar an.
Leichte Sprache ersetzt jedoch nicht den Ausgangstext. Sie ist ein zusätzliches Angebot, aus dem sich weder Rechte noch Pflichten ableiten lassen. Leichte Sprache ist nicht justiziabel.
Neben der Brückenfunktion kann Leichte Sprache auch Lernimpulse geben. Der Erfolg beim Lesen macht Mut und verschafft die nötige Motivation, die eigenen schriftsprachlichen Fähigkeiten auszubauen, während komplizierte Texte von vielen Leserinnen und Lesern häufig frustriert zur Seite gelegt werden.
Quellen:
Bredel, Maaß: Ratgeber Leichte Sprache: Die wichtigsten Regeln für die Praxis. Berlin: Duden, 2016.