Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache im Kontext digital barrierefreier Verwaltungsverfahren

Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache im Kontext digital barrierefreier Verwaltungsverfahren.

Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache im Kontext digital barrierefreier Verwaltungsverfahren

1 Einleitung

Eine zunehmend größere Gruppe von Personen wird sowohl beruflich als auch privat mit vielen Texten konfrontiert, die beispielsweise für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung und für Menschen mit einer geringen Literalität schwer verständlich sind. Viele Texte setzen Fachwissen oder umfangreiche Kenntnisse der deutschen Sprache voraus, was in vielen Fällen nicht oder unzureichend gegeben ist.

Für die betroffenen Nutzergruppen stellen bereits „normale“ Alltagstexte eine Barriere dar, die sie an der Teilhabe an der Gesellschaft hindert.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurden die Einfache Sprache und die Leichte Sprache entwickelt. Ziel ist es, Texte einfacher und eingängiger zu formulieren, um komplexe Sachverhalte möglichst zu vereinfachen. Im Kontrast zur Leichten Sprache wird auch von der schweren Sprache gesprochen. Umfasst sind alle Texte, die weder der Einfachen-, noch der Leichten Sprache zugeordnet werden können.

Einige Texte können nicht in Leichte Sprache übersetzt werden, wie z.B. Lehrbücher oder Fachartikel. Diese setzen teilweise Fachwissen voraus, sodass sich nicht jeder Fachbegriff erklären oder umschreiben lässt. Zudem können bestimmte Informationen, wie Gesetzestexte, nicht präzise genug in Leichte Sprache umformuliert werden.

2 Betroffene Benutzergruppen

Grundsätzlich profitiert jeder Mensch davon, wenn ein Text einfach verständlich und einprägsam ist. Dies erleichtert auch Menschen den Zugang zum Text, die auch mit Texten in „schwerer Sprache“ gut zurechtkommen würden. Es muss dennoch im Einzelfall entschieden werden, ob eine Übertragung eines Textes in Leichte Sprache sinnvoll ist. Dadurch gehen teilweise Informationen verloren, die der Autor ggf. als wichtig erachtet hat.

Es gibt aber Nutzergruppen, die auf Texte in Einfacher Sprache oder sogar in Leichter Sprache angewiesen sind.

Dazu zählen:

  • Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen,
  • Menschen mit Lernbeeinträchtigungen
  • Menschen mit geringer Literalität, auch als „funktionelle Analphabeten bezeichnet
  • Menschen mit prälingualen Hörschädigungen (Die Hörschädigung tritt auf, bevor man sprechen gelernt hat)
  • Menschen mit Aphasie (Sprachstörung, die oft durch einen Schlaganfall hervorgerufen wird)
  • Demenziell erkrankte Menschen und
  • Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.

Diese Nutzergruppen profitieren, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen, von Texten, die leicht verständlich sind. Sobald ein Text entweder zu viel Vorwissen voraussetzt oder zu lange Sätze, zu viele und/oder zu lange Wörter beinhaltet, sind die betroffenen Nutzergruppen oft nicht mehr in der Lage, diesen zu verstehen. Dies spielt in unterschiedlichen Situationen eine entscheidende Rolle.

Dazu gehört unter anderem die Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren. Beim Umgang mit staatlichen Stellen, wie Behörden, ist es besonders wichtig, auf die Belange dieser Menschen so weit wie möglich Rücksicht zu nehmen. Dies umfasst unter anderem die Gestaltung von Vordrucken und Formularen, die notwendig sind, um beispielsweise Leistungen zu beantragen. Hier ist es wichtig, dass alle Angaben so verständlich wie möglich formuliert sind. Sonst besteht die Gefahr, dass einige Menschen nicht ohne Weiteres in der Lage sind, ihr Recht angemessen durchsetzen zu können.

Um diesem Problem zu begegnen, gibt es auch in Hessen einige gesetzliche Regelungen, die die Verwendung von Leichter Sprache und der Deutschen Gebärdensprache bei der Kommunikation von öffentlichen Stellen mit Betroffenen vorschreiben. Hingegen ist die einfache Sprache nicht geregelt und wird von den entsprechenden Gesetzen auch nicht explizit erwähnt. Damit besteht gegenüber öffentlichen Stellen, die zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet sind, kein Anspruch auf Texte in einfacher Sprache. Weiter unten wird aufgeführt, dass dazu auch Bescheide, Vordrucke und Formulare zählen, welche im Verwaltungsverfahren eine wichtige Rolle spielen. Die Verpflichtung erfasst aber auch die allgemeine Kommunikation, die für die Betroffenen wichtig sein kann. Es kann hilfreich sein, wenn der Betroffene seinen Bedarf zur Leichten Sprache im Vorfeld äußert, damit die öffentliche Stelle sich auf diese Person besser einstellen kann. Falls der Betroffene auf die Deutsche Gebärdensprache angewiesen ist, so steht ihm gemäß § 11 Abs. 1 HessBGG im Verwaltungsverfahren ein Gebärdensprachdolmetscher zu.

Gehörlose Menschen sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Inhalte in Deutscher Gebärdensprache vorhanden sind. Dies umfasst in erster Linie multimediale Inhalte wie Videos, aber auch das Lesen von Texten stellt für Hörbehinderte oder gehörlose Menschen eine Schwierigkeit dar, weil für viele von ihnen die Deutsche Gebärdensprache die Muttersprache ist. Deswegen wird die deutsche Schriftsprache von diesen Menschen wie eine Fremdsprache wahrgenommen.

3 Beispieltext in Leichter Sprache

Folgender Text veranschaulicht die Leichte Sprache. Es ist aber zu beachten, dass die Leichte Sprache auch Vorgaben zur visuellen Gestaltung des Textes macht. Dazu gehören die Schriftgröße, Zeilenabstände, Textstruktur und der Einsatz von veranschaulichenden Bildern.

„Barriere-Freiheit in der IT bedeutet:

Alle Menschen haben Zugang zu Informationen.

Alle Menschen können Internet-Seiten, Dokumente und Apps selbständig bedienen und wahrnehmen.

Es gibt keine Hindernisse:

  • für alte Menschen
  • für kranke Menschen
  • für Menschen mit Beeinträchtigung

Zum Beispiel:

Die Internet-Seiten sind übersichtlich aufgebaut.

Die Schrift kann groß gemacht werden.

Es gibt eine Beschreibung für Bilder und für Videos.

Texte können von einem Programm vorgelesen werden.

Dokumente sehen im Internet und am Handy gleich aus.

Es gibt Informationen in Gebärden-Sprache und in Leichter Sprache.

Internet-Seiten können mit der Tastatur bedient werden.“

4 Rechtliche Regelungen der Leichten Sprache im Bund und den Bundesländern

Um die Teilnahme betroffener Menschen zu stärken, sind öffentliche Stellen des Bundes und der Bundesländer verpflichtet, bestimmte Informationen in Leichter Sprache und auch in Deutscher Gebärdensprache bereitzustellen.

Auch wenn das grundsätzliche Ziel klar ist, so sind die Regelungen des Bundes und der Bundesländer im Detail sehr unterschiedlich. Dies hat zur Folge, dass die öffentlichen Stellen, je nach Bundesland, mehr oder weniger Inhalte in Leichter Sprache und in Deutscher Gebärdensprache  zur Verfügung stellen müssen.

Wie oben bereits ausgeführt, beinhalten die Regelungen des Bundes und der Länder keinerlei Bezug auf die Einfache Sprache.

Unabhängig davon, welches Regelwerk im Einzelnen gilt, können folgende Bereiche abgegrenzt werden, in denen Inhalte in Leichter Sprache verpflichtend sein können:

  • Leichte Sprache auf Landes- und Bundesebene (auf Webseiten und in Mobilen Anwendungen),
  • Leichte Sprache auf kommunaler Ebene (Auf Webseiten und in Mobilen Anwendungen),
  • Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge
  • Allgemeinverfügungen und
  • Vordrucke,
  • Leichte Sprache auf der Startseite: Wesentliche Inhalte, die Navigation und wesentliche Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit
  • Vermehrte Bereitstellung, weitere Informationen in Leichter Sprache

Bescheide, Allgemeinverfügungen und Vordrucke müssen nur in Leichter Sprache, nicht aber in Deutscher Gebärdensprache angeboten werden.

5 Vergleich der Regelungen aus Hessen mit denen des Bundes und aller übrigen Bundesländer

Ein Vergleich aller Regelungen des Bundes und der Bundesländer in Form einer Tabelle finden sie hier. Daher soll an dieser Stelle herausgearbeitet werden, welche Regelungen in Hessen den Bedürfnissen der Betroffenen am ehesten entsprechen.

Die durch die hessischen Regelungen abgedeckten Bereiche sind mit denen des Bundes identisch. In beiden Fällen werden, mit Ausnahme der kommunalen Ebene, alle Regelungsbereiche abgedeckt. Mithin sind die Kommunen nicht dazu verpflichtet, Inhalte in Leichter Sprache und in Form der Deutschen Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen. Dennoch ist positiv zu erwähnen, dass in Hessen alle übrigen Regelungen des Bundes übernommen worden sind, was neben der Leichten Sprache auch die Deutsche Gebärdensprache mit einschließt.

Dem Anspruch aller Betroffener auf Inhalte in Leichter Sprache und in Deutscher Gebärdensprache, die darauf angewiesen sind, wird also in Hessen mit am Umfangreichsten entsprochen.

6 Fazit

Viele Texte stellen also für eine zunehmend größere Nutzergruppe eine echte Barriere dar, da sie oft schlicht nicht verstanden werden. Oft wird es den Verfassern der Texte nicht bewusst sein, dass einige Menschen nicht in der Lage sind, die Texte zu verstehen.

Daher ist es zu begrüßen, dass die meisten öffentlichen Stellen verpflichtet sind, Inhalte in Leichter Sprache und auch in Deutscher Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen.

Vergleichstabelle

Person zeigt mit dem Finger auf eine beleuchtete Karte an der Wand.

Information

Vergleichstabelle BGG, BITV

Tabelle zum Vergleich der Regelungen des Bundes zur Leichten Sprache (LS) und Deutschen Gebärdensprache (DGS)